Haftung für Erbschaftsteuer gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG – Haftungsbescheid oder Duldungsbescheid?

Steuerschuld und Haftungsschuld schließen sich wechselseitig aus („Exklusivität“ von Schuld und Haftung) – der Steuerschuldner kann nicht zugleich Haftungsschuldner sein (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH, 23.06.2020, VII R 56/18). Der Haftungsschuldner wird durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen (§ 191 Abs. 1 S. 1 AO), der Steuerschuldner dagegen durch Steuerbescheid (vgl. § 155 Abs. 3 S. 1 AO).

Wenn das Finanzamt den falschen Bescheidtyp erlässt, ist der jeweilige Bescheid rechtswidrig und anfechtbar. Nichtigkeit ist dagegen grundsätzlich nicht anzunehmen.

Haftung gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG – Duldungsbescheid?

Während das Verhältnis zwischen Steuer- und Haftungsschuldner höchstrichterlich geklärt ist, scheinen beim Verhältnis zwischen Haftungs- und Duldungsbescheid noch Fragen offen. Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden (§ 191 Abs. 1 S. 1 AO).

Ohne Begründung vertritt insbesondere Halaczinsky (Die Haftung für Steuerschulden, Rn. 496; ebenso Hannes/Holtz in Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, § 20 Rn. 24; Gehm, Stbp 2021, 276/277) die Auffassung, dass die Haftung nach § 20 Abs. 3 ErbStG durch Duldungsbescheid gemäß §§ 191, 77 AO geltend zu machen sei.

Richtigerweise Haftungsbescheid

Das ist zweifelhaft. Schon der Wortsinn von § 20 Abs. 3 ErbStG („haftet“) spricht für einen Haftungs- und nicht für einen Duldungstatbestand, so dass gemäß § 191 Abs. 1 S. 1 AO nur der Erlass eines Haftungsbescheides in Betracht kommt.

Der BFH (04.06.2019, VII R 16/18 – darauf verweisen Hannes/Holtz und Gehm) führte zwar aus, dass es bei dieser Norm „letztlich … darum“ geht, „dass die Erben bis zur vollständigen Erbauseinandersetzung eine Vollstreckung in den Nachlass wegen Ansprüchen aus dem Erbschaftsteuerschuldverhältnis eines Erben dulden müssen …“ Gleichwohl hatte das FA im hier zitierten BFH-Fall „gegenüber der Klägerin und ihrem Bruder zwei auf § 191 der Abgabenordnung (AO), § 20 Abs. 3 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) gestützte Haftungsbescheide erlassen, „mit denen es beide zur Entrichtung der von der Klägerin noch geschuldeten Erbschaftsteuer … aus dem Nachlass aufforderte.“

An dem Erlass der Haftungsbescheide hatte der BFH aber offenbar nichts auszusetzen, jedenfalls hat er dies mit keiner Silbe problematisiert.

Praxis-Tipp

Meines Erachtens ist die Haftung gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG durch Haftungsbescheid geltend zu machen. Der Erlass eines Duldungsbescheides (statt eines Haftungsbescheides) ist rechtswidrig und anfechtbar (Einspruch).

Denkbar wäre allerdings auch eine Umdeutung des Duldungsbescheides in einen Haftungsbescheid. § 128 Abs. 3 AO schließt nur eine Umdeutung eines Steuerbescheides in einen Haftungsbescheid aus, Haftungs- und Duldungsbescheid sind jedoch beides Ermessensentscheidungen.