ABC

Haftungsbescheid-ABC

Hier finden Sie anhand von Stichworten Wissenswertes zu Haftungsbescheiden und zur Haftung im Steuerrecht sowie Antworten auf häufig gestellte Fragen. Nach und nach werde ich weitere Stichworte und Erläuterungen ergänzen.

Sie vermissen ein Stichwort? Anregungen nehme ich gern entgegen. Schreiben Sie mir einfach eine E-Mail.

Anhörung und Anhörungsschreiben

Bevor ein Haftungsbescheid erlassen wird, muss das Finanzamt den Betroffenen (Haftungsschuldner) grundsätzlich anhören. Das geschieht schriftlich durch ein Anhörungsschreiben. Das Anhörungsschreiben enthält i. d. R. eine Begründung, aufgrund welcher Tatsachen das Finanzamt einen Haftungstatbestand als erfüllt ansieht und die Inanspruchnahme ermessensgerecht sei. Dadurch wird dem Mandanten als (potenzieller) Haftungsschuldner rechtliches Gehör gewährt.

Der Mandant bzw. sein Berater kann jetzt an der Sachverhaltsaufklärung mitwirken und Einwendungen vorbringen, um den Erlass eines Haftungsbescheides im Idealfall ganz zu verhindern oder zumindest die vom FA behauptete Haftungssumme zu verringern.

Neben der Frage, ob es aus Mandanten- bzw. Beratersicht klug ist, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken, steht die Frage, ob der Mandant zur Mitwirkung auch verpflichtet ist und ihm Nachteile drohen, falls er einer etwaigen Mitwirkungspflicht nicht nachkommt. Das lässt sich nur im Einzelfall beantworten. Ein typischer und in der Praxis häufiger Fall ist die Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Ermittlung der Haftungs- bzw. Tilgungsquote im Rahmen der Geschäftsführerhaftung.

Aussetzung der Vollziehung (AdV)

Auch wenn Einspruch gegen einen Haftungsbescheid eingelegt wird, muss die streitige Haftungssumme zunächst bezahlt werden. Anderenfalls droht die Vollstreckung der Haftungssumme, z. B. durch Kontenpfändung oder Eintragung einer Zwangssicherungshypothek.

Ausnahme: Man stellt mit Erfolg einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV). Der AdV-Antrag ist zu begründen, normalerweise durch den Vortrag, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides bestehen. Beispielsweise, weil der Haftungstatbestand nicht erfüllt ist oder bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

Im Grundsatz darf erst dann ein AdV-Antrag beim Finanzgericht gestellt werden, wenn das Finanzamt zuvor die AdV ganz oder teilweise abgelehnt hat. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung ist eine teilweise Ablehnung der AdV, wenn man AdV ohne Sicherheitsleistung beantragt hat. Fehlt es an einer vorherigen Ablehnung durch das Finanzamt, ist ein (sofortiger) AdV-Antrag beim Finanzgericht unzulässig. Das wird in der Praxis hin und wieder übersehen.

Bei Haftungsbescheiden entstehen keine AdV-Zinsen, da die Vorschriften über die Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis auf Haftungsbescheide nicht anwendbar ist. Umgekehrt entstehen aber auch keine Erstattungszinsen.

Betriebsprüfung

Häufig prüft das Finanzamt im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung (Außenprüfung) auch, ob Haftungstatbestände in Betracht kommen.

Einspruch

Beim Erlass von Haftungsbescheiden unterlaufen dem Finanzamt häufig Fehler. Viele Haftungsbescheide sind rechtswidrig. Beispielsweise ist der Haftungstatbestand nicht erfüllt oder das Finanzamt hat sein Ermessen fehlerhaft (oder auch gar nicht) ausgeübt. Bisweilen ist schon Festsetzungsverjährung eingetreten, so dass ein Haftungsbescheid nicht mehr erlassen werden durfte.

In diesen Fällen muss innerhalb eines Monats Einspruch eingelegt werden. Anderenfalls wird der Haftungsbescheid bestandskräftig (nicht mehr angreifbar), auch wenn er rechtswidrig ist. Da die Fehlerquote bei Haftungsbescheiden besonders hoch ist, sind oftmals auch die Erfolgsaussichten eines Einspruchs gut.

Ermessen

Haftungsbescheide sind Ermessensentscheidungen. Das Finanzamt hat einen Spielraum: Es kann einen Haftungsschuldner mittels Haftungsbescheid in Anspruch nehmen, muss aber nicht unbedingt.

Die Ermessensentscheidung beinhaltet das Entschließungsermessen (Entscheidung, ob der Haftende überhaupt in Anspruch genommen werden soll) und das Auswahlermessen (Auswahl als Haftungsschuldner bei mehreren Haftenden). Das Entschließungsermessen ist normalerweise unproblematisch. Nach ständiger Rechtsprechung ist Aufgabe des Finanzamtes, Steuerausfälle zu verhindern. Bei Uneinbringlichkeit der Steuer durch Steuerbescheid ist daher die Haftungsinanspruchnahme (= Erlass eines Haftungsbescheides) der Normalfall und nicht angreifbar.

Außerdem ist die Ermessensentscheidung „vorgeprägt“ bei besonders schwerer Schuld (Vorsatz oder besonders grobe Fahrlässigkeit) des Haftenden, insbesondere in Fällen der Haftung bei Steuerhinterziehung (§ 71 AO). Das bedeutet, dass das Finanzamt seine Ermessensentscheiudun nicht weiter begründen muss.

In der Praxis unterlaufen dem Finanzamt häufig Fehler beim Auswahlermessen, z. B. weil es einen weiteren in Betracht kommenden Haftungsschuldner übersehen hat. Dann ist der Haftungsbescheid rechtswidrig und kann mittels Einspruch angefochten werden. Dabei ist genau zu überlegen, wann der Ermessensfehler gerügt wird. Rügt man dies etwa zu früh, kann das Finanzamt im Laufe des Einspruchsverfahrens noch „nachbessern“ und der Haftungsbescheid wäre nachträglich geheilt.

Finanzgerichtsverfahren

Im Steuerprozess gibt es historisch bedingt nur zwei Instanzen: Die Finanzgerichte als Eingangs- bzw. Tatsacheninstanz und den Bundesfinanzhof in München als Revisionsinstanz.

In einigen Bundesländern gibt es mehrere, in Sachsen z. B. nur ein Finanzgericht (Sächsisches Finanzgericht in Leipzig).

Haftung und Haftungstatbestände

Haftung heißt, die Steuerschulden eines anderen bezahlen zu müssen. So haftet etwa der Geschäftsführer einer GmbH persönlich für deren Steuerschulden, wenn er grob schuldhaft steuerliche Pflichten der GmbH verletzt, die er als Geschäftsführer zu erfüllen hat.

Wer selbst eine (eigene) Steuer schuldet, kann nicht gleichzeitig auch für diese Steuer haften. Steuerschuld und Haftung schließen sich wechselseitig aus („Exklusivität von Haftung und Schuld“). Der Haftungsschuldner wird durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen, der Steuerschuldner dagegen durch Steuerbescheid. Wenn das Finanzamt den falschen Bescheidtyp erlässt, ist der jeweilige Bescheid rechtswidrig und mittels Einspruch anfechtbar.

Haftungsbescheid

Das Finanzamt darf, anders als private Gläubiger, durch Erlass eines Haftungsbescheides sich selbst einen vollstreckbaren Titel schaffen und diesen auch noch selbst durchsetzen (vollstrecken). Eine Haftungsschuld setzt das Finanzamt durch einen Haftungsbescheid fest. Haftungsbescheide sind Ermessensentscheidungen. Gegen Haftungsbescheide kann Einspruch eingelegt und nach Abschluss des Einspruchsverfahrens Klage beim Finanzgericht eingereicht werden.

Haftungsstelle des Finanzamtes

Im Finanzamt gibt es spezielle Haftungsstellen, die Haftunginanspruchnahmen prüfen und Haftungsbescheide erlassen. In Sachsen beim Schriftwechsel mit dem Finanzamt erkennbar an dem Kürzel „H“ nach der Steuernummer.

Insolvenz

In Insolvenzfällen prüft das Finanzamt immer, ob beispielsweise der (ehemalige) Geschäftsführer für Steuerschulden seiner insolventen GmbH haftet.

Kosten des Steuerstreits

Das Einspruchsverfahren beim Finanzamt ist zwar kostenfrei. Umgekehrt sieht das Gesetz aber auch keine Kostenerstattungspflicht (z. B. Beraterkosten) vor. Selbst dann nicht, wenn man im Einspruchsverfahren vollumfänglich Erfolg hat. Erst wenn das Finanzamt vor Gericht verliert, muss es die Kosten des Verfahrens tragen, insbesondere die Beraterkosten. Dazu gehören dann aber grundsätzlich auch die Beraterkosten für das vorhergehende Einspruchsverfahren.

Bei betrieblicher oder beruflicher Veranlassung können die Kosten des Steuerstreits als Betriebsausgaben oder Werbungskosten steuerlich abzugsfähig sein. Beispielsweise bei der Geschäftsführerhaftung und der Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers.

Möglicherweise besteht eine Rechtsschutz- oder D&O-Versicherung, welche die Kosten des Steuerstreits übernimmt. Bei Rechtsschutzversicherern gibt es Steuerrechtsschutz meist erst für das Finanzgerichtsverfahren und noch nicht für das Einspruchsverfahren.

Schätzung

Wenn das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen (z. B. Umsätze, Einnahmen) nicht ermitteln kann, darf es sie schätzen. Geschätzt wird insbesondere die Haftungs- bzw. Tilgungsquote im Rahmen der Geschäftsführerhaftung (§§ 69, 34 Abs. 1 AO), wenn der (potenzielle) Haftungsschuldner bei deren Ermittlung nicht mitwirkt.

Steuerstrafverfahren

Im Steuerstrafverfahren prüft das Finanzamt auch, ob es Personen gibt, die für die verkürzten Steuern haften. Das sind alle, die an einer Steuerhinterziehung beteiligt sind, also insbesondere Anstifter und Gehilfen.

Verjährung

Mit Eintritt der Verjährung erlöschen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, so auch der Haftungsanspruch des Finanzamtes. Das ist eine Besonderheit des steuerrechtlichen Verfahrensrechts. Im Zivilrecht gibt die Verjährung dagegen nur das Recht, die Leistung zu verweigern. Zu unterscheiden ist die Festsetzungsverjährung von der Zahlungsverjährung.

Die Festsetzungsverjährung regelt die Frage, wie lange das Finanzamt erstmals einen Haftungsbescheid erlassen oder einen Haftungsbescheid nachträglich noch ändern darf. Die Festsetzungsfrist beträgt im Grundsatz 4 Jahre, in bestimmen Fällen (Steuerhinterziehung) 10 Jahre. Es kommt in der Praxis immer wieder einmal vor, dass das Finanzamt die bereits eingetretene Verjährung übersehen hat oder sogar bewusst ausblendet. Dann muss Einspruch eingelegt und die Verjährung geltend gemacht werden. Anderenfalls darf aus dem Haftungsbescheid vollstreckt werden, obwohl die Haftungsschuld an sich schon erloschen ist.

Die Zahlungsverjährung betrifft dagegen die Frage, wie lange die Haftungsschuld aus einem wirksamen Haftungsbescheid gefordert (erhoben oder vollstreckt) werden kann. Die Zahlungsverjährungsfrist beträgt grundsätzlich 5, in Fällen der Steuerhinterziehung 10 Jahre. Ist man der Auffassung, dass der Haftungsanspruch zahlungsverjährt ist, hilft allerdings kein Einspruch. Dann ist ein so genannter Abrechnungsbescheid und Vollstreckungsschutz zu beantragen.