Zustellung von Haftungs- und Steuerbescheiden – eine Haftungsfalle für Berater

Haftungs- und Steuerbescheide müssen bekannt gegeben werden, damit sie wirksam sind (§§ 124 Abs. 1, 122 AO). Die Bekanntgabe kann durch einfachen Brief geschehen, aber auch mittels förmlicher Zustellung.

Eine aktuelle Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz erinnert Berater daran, bei der Berechnung von Einspruchs- und Klagefristen auf den konkreten Tag der Bekanntgabe besonders zu achten.

„Drei-Tages-Fiktion“ bzw. „-Frist“

Für die Bekanntgabe gilt grundsätzlich die „Drei-Tages-Fiktion“ bzw. „-Frist“ des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO. Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt (Haftungsbescheid), der im Inland übermittelt wird, am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.

Für die Einhaltung der Festsetzungsfrist genügt es übrigens, dass der Steuerbescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat (§ 169 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 AO). Der Steuerbescheid muss zwar tatsächlich zugehen, aber es genügt, wenn der Zugang erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist erfolgt. Über die Verweisung in § 191 Abs. 3 S. 1 AO gilt das auch für Haftungsbescheide.

Bekanntgabe durch Zustellung

Die Bekanntgabe kann auch im Wege der Zustellung erfolgen (§ 122 Abs. 5 AO). Die förmliche Zustellung ist zwar keine Besonderheit des steuerlichen Haftungsrechts. Allerdings versendet das Finanzamt überdurchschnittlich häufig Haftungsbescheide nicht mit normaler Post, sondern per Zustellungsurkunde (PZU). Zum Verfahren verweist § 122 Abs. 5 S. 2 AO auf die Vorschriften des VwZG, das wiederum in § 3 Abs. 2 auf die Vorschriften der §§ 177ff. ZPO verweist.

Einspruchs- oder Klagefrist besonders sorgfältig prüfen

Die Einspruchs- und die Klagefrist (im Fall einer Einspruchsentscheidung) beginnen mit der Bekanntgabe des Haftungs- oder Steuerbescheides. Diese Fristen müssen vom Berater besonders sorgfältig geprüft und berechnet werden. Anderenfalls droht dem Mandanten Rechtsverlust und dem Berater die Haftung gegenüber dem Mandanten.

Instruktiv dazu die folgende Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (FG Rheinland-Pfalz, 07.05.2021, 4 K 1932/20). Sie betrifft zwar keinen Haftungsbescheid (sondern einen Einkommensteuerbescheid nebst Einspruchsentscheidung), zeigt aber gnadenlos und sehr ausführlich die Problematik auf, die genauso für Haftungsbescheide gilt.

Einen Tag zu spät ist auch zu spät …

Sachverhalt

Das Finanzamt übersandte an den Prozessbevollmächtigten des Klägers eine auf den 27.08.2020 datierende Einspruchsentscheidung. Am 28.08.2020 (Freitag) um 13.30 Uhr wurde ihm die Einspruchsentscheidung im Wege der Ersatzzustellung mittels PZU zugestellt (Einwurf in Briefkasten). Am 29.09.2020 erhob der Prozessbevollmächtigte Klage. Der Prozessbevollmächtigte machte geltend, freitags sei sein Büro nur bis 12:00 Uhr besetzt, die Einspruchsentscheidung habe er tatsächlich erst am 31.08.2020 (Montag) erhalten.

Das beklagte Finanzamt

„ist der Auffassung, dass die Einspruchsentscheidung dem Kläger durch Zustellung an den Klägervertreter am 28. August 2020 wirksam bekannt gegeben worden und die Frist zur Klageerhebung daher am 28. September 2020 … abgelaufen sei. Folglich sei die Klage verfristet und unzulässig. Wiedereinsetzungsgründe bestünden nicht.“

Entscheidung

Das sah auch das FG so.

„Die Klage ist unzulässig, da sie nach Ablauf der Klagefrist erhoben wurde und keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Klagefrist zu gewähren war. Die Einspruchsentscheidung sei „dem Klägervertreter durch die Post mittels PZU am 28. August 2020 zugestellt“ worden. „Die Klagefrist endete somit am 28. September 2020, 24:00 Uhr … Die Klageschrift ist hingegen erst am 29. September 2020 und daher erst nach Ablauf der vorgenannten Frist bei Gericht eingegangen. … Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Klagefrist ist abzulehnen. Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung nach § 56 FGO liegen nicht vor.“

Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet

Der Bundesfinanzhof (BFH, 08.10.2021, IX B 48/21), hat die Entscheidung bestätigt.

„Das FG ist von einer wirksamen Zustellung der Einspruchsentscheidung nach § 122 Abs. 5 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) –mittels Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde– ausgegangen. Diese sei gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG i.V.m. § 180 ZPO im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten erfolgt. Der Zustellungsurkunde komme eine besondere Beweiskraft zu (§ 182 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO). Den Gegenbeweis habe der Kläger nicht führen können. … Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. … Auch der beschließende Senat geht von einer wirksamen Zustellung der Einspruchsentscheidung durch die Post mit Zustellungsurkunde (im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten) am 28.08.2020 (um 13:30 Uhr) aus. Dies entspricht den in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen. Zustellungsmängel sind nicht ersichtlich.“

Praxis-Tipp

Es ist immer genau zu prüfen, ob im Adressfeld des Haftungsbescheides „Zustellung mit Zustellungsurkunde“, „PZU“ o. ä. vermerkt ist. Manchmal fehlt aber dieser Hinweis, obwohl mit PZU zugestellt wurde. Den Mandanten also immer fragen, ob der Haftungsbescheid im „gelbem Umschlag“ kam und sich den Umschlag zur Prüfung auch vorlegen lassen. Der Umschlag muss auch zur Handakte des Beraters genommen werden.

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