Bisherige Rechtslage: Keine AdV-Zinsen
Gemäß § 233 S. 1 AO werden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur verzinst, soweit dies durch Bundes- oder EU-Recht vorgeschrieben ist. Wurde Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, hat aber das Hauptsacheverfahren (Einspruchs- oder Klageverfahren gegen den Haftungsbescheid) später endgültig keinen Erfolg, dann ist gemäß § 237 Abs. 1 AO der ausgesetzte Betrag zu verzinsen (AdV-Zinsen).
Die Vorschrift ist jedoch auf Haftungsbescheide nicht anzuwenden, weil Haftungsbescheide dort nicht ausdrücklich genannt werden (BFH, 25.07.1989, VII R 39/86). Haftungsbescheide sind keine Steuerbescheide und auch keine den Steuerbescheiden gleich gestellten Bescheide, sondern sonstige Steuerverwaltungsakte, für die die Regeln über Steuerbescheide grds. nicht gelten.
Praxis-Tipp Über AdV-Anträgen schwebt also nicht das „Damoklesschwert“ der Verzinsung nach verlorenem Einspruchs- oder Klageverfahren. Egal wie lange das Verfahren dauert, es bleibt höchstens bei der ursprünglichen Haftungssumme. Umgekehrt gibt es bei erfolgreichen Rechtsbehelfen gegen Haftungsbescheide aber auch keine Erstattungs- (§ 233a AO) oder Prozesszinsen (§ 236 AO, BFH, 23.08.2012, VI B 53/12). Vorsicht bei einer Stundung: Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 234 Abs. 1 AO) gehört auch der Haftungsanspruch (§ 37 Abs. 1 AO), so dass bei der Stundung eines Haftungsanspruchs Stundungszinsen entstehen (6 % pro Jahr, § 238 Abs. 1 AO). Man darf daher nicht etwa die Stundung einer Haftungsschuld beantragen, wenn ein Erfolg versprechender AdV-Antrag in Betracht kommt. Die „Zinsentscheidung“ des BVerfG (08.07.2021, 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17) und die darauf basierende Neuregelung der Zinshöhe in § 238 Abs. 1a AO n. F. (1,8 % pro Jahr) beziehen sich ausdrücklich nur auf Zinsen nach § 233a AO (Erstattungs- oder Nachzahlungszinsen), wirken sich auf Stundungszinsen also nicht aus. |
Neuregelung ab 2025
Mit Wirkung vom 28.03.2024 wurde in § 237 AO ein neuer Abs. 6 eingefügt. Danach gelten „die Absätze 1 bis 5“ des § 237 AO „für festgesetzte Haftungsansprüche entsprechend, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt.“
D. h., dass nunmehr auch bei AdV eines Haftungsbescheides (soweit er sich auf Steuern und Steuervergütungen bezieht, also nicht bei steuerlichen Nebenleistungen) AdV-Zinsen zu zahlen sind, wenn das Einspruchs- oder Klageverfahren endgültig verloren geht.
Praxis-Tipp Die Neuregelung in § 237 Abs. 6 AO gilt „für alle Haftungsansprüche, die nach dem 31. Dezember 2024 entstehen“ (Art. 97 § 15 Abs. 18 EGAO). Ab diesem Zeitpunkt muss das Risiko von AdV-Zinsen also mit „eingepreist“ werden. Die „Zinsentscheidung“ des BVerG und die darauf basierende Neuregelung der Zinshöhe in § 238 Abs. 1a AO n. F. (1,8 % pro Jahr) wirken sich auf AdV-Zinsen nach § 237 AO nicht aus. Der 8. Senat des BFH hält die Höhe der AdV-Zinsen (6 % pro Jahr) seit dem 01.01.2019 jedoch für mit dem Grundgesetz unvereinbar und hat diese Frage dem BVerfG vorgelegt (BFH, 08.05.2024, VIII R 9/23). |